Veröffentlicht: 18.02.09
Mittwochskolumne

Zwei Freundinnen im Café fédéral

Sabine Perch-Nielsen
Sabine Perch-Nielsen, D-UWIS Alumna und Politikstipendiatin.
Sabine Perch-Nielsen, D-UWIS Alumna und Politikstipendiatin. (Grossbild)

Politik: Guten Morgen liebe Wissenschaft. Wie geht es Dir denn so?

Wissenschaft: Du kennst mich ja, liebe Politik. Ich habe ganz viele Vorlesungen und Praktika. Aber ich habe auch ganz viele neue Ideen und bin eifrig am Forschen. Ich habe spannende Resultate – aber weisst Du, die werfen wichtige neue Fragen auf und es ist mir das Geld ausgegangen…

Politik: Ach nein, nicht schon wieder diese Leier. Ich habe es fast schon vermutet. Ich höre jeweils drei Jahre fast nichts von Dir. Nur durch meine gute Freundin, die Presse, erfahre ich gelegentlich, was Du so treibst. Aber kaum liegt die BFI Botschaft auf dem Tisch, lädst Du mich plötzlich gar häufig zum Kaffee ein.

Wissenschaft: Du musst doch nicht gleich so aufbrausen! Du müsstest doch ganz zufrieden sein mit mir. Ich leiste in den drei Jahren ausserordentlich viel und immerhin bin ich nicht so aufdringlich wie die Landwirtschaft.

Politik (seufzt): Ja, vielleicht. Aber ich verstehe immer noch nicht ganz, warum Du so wahnsinnig viel Geld brauchst.

Wissenschaft: Denk doch nur an all die Studierenden an den Universitäten. Die muss ich alle unterrichten! Und dann ist gute Forschung halt einfach nicht gratis zu haben.

Politik: Gratis! Das sind ja Milliarden, die Du jedes Jahr verforschst. Geht das Ganze nicht auch mit weniger Geld? Ich meine, wo kämen wir Ende Jahr mit unserem Budget hin, wenn einfach jede Geld kriegt, welche sich mit grossem Interesse irgendeinem Thema widmet?

Wissenschaft: Damit wirst Du dem grossen Wert der Forschung aber wirklich nicht gerecht. Die Forschung ist eine der wesentlichen Grundlagen der Wissensgesellschaft Schweiz! Sie ist zentral für die Innovation und wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land.

Politik: Ja ja, Du hast ja Recht, ich weiss das ja schon. Aber auch die Forschung muss sich der Kosten-Nutzen Analyse stellen. Und besonders bei der Grundlagenforschung frage ich mich, ob den enormen Kosten wirklich ein enormer Nutzen gegenübersteht? Wenn Du in Zukunft wieder für Geld anklopfst, musst Du mir einfach klar den Nutzen aufzeigen.

Wissenschaft: Kosten-Nutzen Analyse! Ich will mich doch der Forschung widmen, nicht solchen Rechnereien. Ich kann Dir jetzt schon sagen, was Du tun solltest: Lass mir genügend Geld, Ruhe und Freiraum, um meinen Ideen nachzugehen. Das gibt die beste Forschung!

Politik: Das mag ja schon sein. Aber mein Chef, der Steuerzahler, begrenzt mein Budget, und da will ich das Geld nach sinnvollen Kriterien verteilen. Ich muss ja auch das Militär, die Gerichte, die Gesundheit, die Umwelt und noch vieles mehr finanzieren. Da muss ich halt nachfragen, sonst wäre das doch sehr unfair. Was ist beispielsweise mein Nutzen, wenn Du in der Astronomie mehr über entfernte Galaxien herausfindest?

Wissenschaft: Das ist Grundlagenforschung, darum ist der Nutzen eben genau nicht unmittelbar. Aber auf die Dauer findet die Erkenntnis ihren Weg in andere Bereiche und führt zu handfestem Fortschritt. Und schliesslich ist die Forschung nicht einfach eine Innovationsmaschine, die man ab- und anstellen kann. Sie ist viel mehr – sie ist ein fester und wichtiger Bestandteil unserer Kultur!

Politik: Kultur? Nun gut – dann kannst Du die Forschung ja über das Bundesamt für Kultur finanzieren lassen. Nein, im Ernst. Du sagst immer, die sonst rohstoffarme Schweiz habe ihren Erfolg dem Rohstoff Wissen zu verdanken. Und versprichst mir, dass Du wichtige Grundlagen für meine Entscheidungen lieferst. Aber wenn ich dann mal wirklich Entscheidungsgrundlagen brauche, kommst Du wieder und meinst, «jääääääää, also unter diesem Blickwinkel ist es so, und sonst anders, und je nach Annahmen, es brauche eben mehr Forschung, um mehr und Genaueres sagen zu können». Das kann es doch nicht sein.

Wissenschaft: Da bist Du aber auch nicht viel besser: Wenn ich etwas herausgefunden habe, was Dir in den Kram passt für Deine politische Agenda, dann lobst Du mich in hohen Tönen und zitierst meine Resultate links und rechts. Wenn Dir meine Erkenntnisse dann aber nicht recht sind, dann lässt Du mich links liegen. Das ist doch keine Freundschaft!

Politik: Und Du willst immer nur mehr Geld! Nennst Du das etwa Freundschaft?

Wissenschaft: Aber ich leiste auch viel dafür. Und ob Du es nun wahrhaben willst oder nicht. Wir sind eine Wissensgesellschaft und die Wissenschaft ist dabei das Fundament unseres Erfolges!

Politik: Was? Fundament nennst Du Dich? Mir scheint eher Du stehst auf einem hohen Sockel. Oder ziehst Dich mit Deinem BFI Batzen in den Elfenbeinturm zurück.

Wissenschaft: Immerhin leiste ich in meinem Turm herausragende und seriöse Arbeit. Nicht wie Du mit Deinem ewigen Apéro- und Podiumskarussell. Heute kokettierst Du mit der Wirtschaft, morgen mit der Presse und dann mit der Landwirtschaft.

Politik: Ja, klar rede ich mit allen. Mir geht es schliesslich um das Wohl der gesamten Schweiz, da muss man sich einen Überblick verschaffen, um sich eine ausgewogene Meinung bilden zu können. Du arbeitest mit Tunnelblick an einem einzigen Thema. Ich widme mich halt dem Gesamtwohl.

Wissenschaft: Das Wohl der Schweiz? Dass ich nicht lache! Bei Dir tummeln sich ja die Partikulärinteressen! Du willst nicht wohl etwa -

Politik (unterbricht die Wissenschaft): Jetzt habe ich aber die Nase voll. Das lasse ich mir nicht bieten. Ich gehe! (Steht auf, um zu gehen)

Wissenschaft (ängstlich und eifrig): Ich hab’s doch nicht so gemeint. Komm, ich lade Dich noch auf ein Bier ein.

Politik: Ja, also gut, wenn Du meinst ...

Zur Autorin

Sabine Perch-Nielsen bezeichnet sich als Spezialistin für die Arbeit an Schnittstellen. Und solche Aufgaben haben ihre bisherige Karriere denn auch stark geprägt. Perch-Nielsen hat an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften studiert und vor kurzem ihre Doktorarbeit bei Professor Dieter Imboden abgeschlossen. Dabei untersuchte sie, welchen Beitrag der Tourismus zum Klimawandel leistet und wie sich der Klimawandel auf den Tourismus auswirken könnte. In ihrer Diplomarbeit hat sie sich mit Einfluss des Klimawandels auf die Migration befasst. Die 29-Jährige ist zudem Mitbegründerin der Klimaschutzorganisation «myclimate», einem ETH Spin-off zur Klimabildung und Kompensation von CO2-Emissionen. Sie ist nach wie vor Vizepräsidentin dessen Stiftungsrates. Seit August besetzt Sabine Perch-Nielsen eine neue Schnittstelle: in den Parlamentsdiensten im Bundeshaus. Sie hat den Zuschlag für ein Politikstipendium der «Stiftung Wissenschaftliche Politikstipendien» erhalten – als eine von drei, die aus den 100 Bewerbenden ausgewählt wurden. Ziel ist es, einen Beitrag zum Dialog zwischen Wissenschaft und Politik zu leisten.

 
Leserkommentare: